SCHAUSPIEL: Jugendtheater-Uraufführung von Tim Staffels „Macht der Wölfe“ im Heidelberger Zwinger

Die Hölle in der Höhle


Von unserer Mitarbeiterin Monika Lanzendörfer


Zwei Tote gibt es. Manuel wird im Gerangel um eine Pistole von einer Kugel getroffen. Charlotte stirbt an dem Biss eines Jungen, der sich in den Körper eines Wolfes träumt. Menschen verwandeln sich in Tiere. Da kommt ein hübsches Paket an Gewaltfantasien zusammen. Es fließt Theaterblut. Hass, Liebe und ein bisschen Sex prallen aufeinander. Dem Treueschwur folgt sogleich der Verrat, der bestraft werden muss.


Das Junge Theater Heidelberg bat den Berliner Schriftsteller Tim Staffel um ein Stück für die Spielstätte Zwinger3. Er lieferte "Macht der Wölfe". Die Regie übernahm Alexandra Holtsch; sie kennt sich bestens in der Thematik des Verfassers aus.


Staffel stellt harte Lebensumstände den Fluchtwelten gegenüber, die von Computerspielen, Fantasyfilmen oder Western ausgemalt werden. Er schreibt immer wieder um die Behauptung herum, dass sich der Mensch zwar für ein soziales Wesen halte, tatsächlich aber wie ein rücksichtsloser Einzelkämpfer losmarschiere. Für die "Macht der Wölfe" hat Gregor Wickert eine tödliche Falle gebaut, den Eingang einer Höhle, in der alle Wege zum friedlichen Miteinander enden. Zwei rivalisierende Jugendgruppen erheben Besitzansprüche auf den Rückzugsort: die drei Wölfe aus zerrütteten Familien und die zwei Karrieretypen, die gewohnt sind, zu bekommen, was sie wollen. Zuerst verwerfen die Bewohner ihren Vorsatz, Konflikte durch Verhandeln und Kompromisse zu lösen. Und dann quälen sie einander. Die sehr erfolgreiche Nervenkitzel-Strategie der Inszenierung versteckt Tim Staffels Eigenheit, unverhohlen selbst aus seinen Figuren zu sprechen. Wie geschliffen und punktgenau können die fünf Gegner und Gegnerinnen doch ihre Befindlichkeiten im Dickicht der Großstadt formulieren. Und wie hilflos wirken ihre Handlungen.


Mitreißendes Ensemble

Das Stück wendet sich an Zuschauer ab 13 Jahren und verlangt von ihnen, die Helden mit schauerlichen Masken und Kriegsbemalung keineswegs "cool" zu finden, sondern über Konfliktlösungen und falsche Vorbilder nachzudenken. Elisabeth Hütter, Sibel Polat, Peter Lindhorst, David Grimaud und Felix Jeiter bilden ein mitreißendes Ensemble. Es erfüllt die liebeshungrigen Frauen und die Männer, die sich wie Tarzan auf die Brust trommeln, so verführerisch mit Leben, dass die Jugendlichen wirklich einen kühlen Kopf brauchen, um zu beurteilen, was in der höllischen Höhle schief läuft.

© Mannheimer Morgen, Montag, 15.04.2013