Widerstand ist zwecklos: Er ist Teil des Systems, ein Produkt unter vielen. Es gibt keine Position außerhalb. Und weil jeder freie Auswahl im Supermarkt der Möglichkeiten hat, greifen die meisten nur noch zu dem, was ihre vorgefasste Meinung bestätigt. Das ist nicht Resultat eines Komplotts der Mächtigen, sondern der menschlichen Sucht nach Selbst-Sicherheit: Das System sind wir.

(…)

Vor allem aber war die Musik viel klüger, vielschichtiger, aktueller als das Libretto. Alexandra Holtsch, alias DJ-Spin-O, theoretisierte nicht über die totale Datenverfügbarkeit in der digitalen Kultur - sie brachte sie zum Tanzen. Traditionelle moderne "E-Musik" war da nur noch als Klang-DNA, als sekundenkurze Sound-Samples vorhanden - hier mal ein Pärt-Klavierbass, da ein paar Steve-Reich-Handklatscher -, ihre Struktur aber verdankte die Musik viel eher dem Drum & Bass: in etwa so als trüge man ein Konservatorium ab, um aus den Mauersteinen einen Club zu bauen, Holtsch und DJ Illvibe mixten, spielten, scratchten die verhakten Beats und Soundscapes mit gehöriger Virtuosität live an den Turntables.

Da traute sich die Biennale einmal an die wirklich zeitgenössische Musik, nicht nur an die im Biotop gezüchtete. Ein wunderbar waghalsiges, geglücktes, hoffentlich nicht einmaliges Experiment, das nicht nur verdient, sondern auch absolut das Zeug dazu hätte, jenseits des üblichen Spezialisten-Zirkels Begeisterung zu wecken.«


Thomas Willmann, tz